"Die Ausgangsbeschränkung"

Persönlicher Kommentar von Uli Rennen

 

Jetzt ist es angerichtet. Wir dürfen nun die Suppe auslöffeln, die durch eine lange Reihe von mittelmäßigen bis katastrophale Entscheidungen durch einzelne Entscheidungsträger in der Regierung aber auch - und es schmerzt, dies als glühender Verfechter der EU zuzugeben - auf europäischer Ebene serviert wurde.

 

Wir wollen hier eingangs klarstellen: ja, es besteht eine sehr ernste Lage. Die Krankheit ist real und kostet Menschenleben. Geeignete Maßnahmen zum Schutz der Menschen sind notwendig und geboten.

 

Wir sind alle verpflichtet, Opfer für die Gemeinschaft und den Einzelnen zu bringen - hierzu sind wir auch bereit. Die Vermeidung überfüllter Intensivstationen ist ein wichtiges Ziel.

 

Unabhängig hiervon ist es aus unserer Sicht an der Zeit, klar Position für die Freiheit in unserem Land zu beziehen, da diese ernstlich in Gefahr ist. Es gilt deutlich zu machen, dass wir uns an einer Grenze befinden, die der Staat respektieren muss.    

 

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Es wurden nun Maßnahmen beschlossen, die auf schwerste Weise in unsere fundamentalen Grundrechte eingreifen. Die Ausgangsbeschränkung nach § 28b Abs. 1 Nr.2 IfSG-E ist aus unserer Sicht jedenfalls nicht verfassungsgemäß. Es ist schon fraglich, ob der relativ geringe Nutzen überhaupt zu einer solch schwerwiegende Maßnahme berechtigen kann, jedenfalls geht er am tatsächlichen Problem vorbei. Es ist unstreitig, dass der Gesetzgeber abendliche Treffen im häuslichen Umfeld verhindern möchte. Es besteht unstreitig kein Grund, nächtliche Bewegung des Einzelnen im Freien zu unterbinden. Ein Infektionsrisiko besteht hier nicht. Wenn dies jedoch zutrifft, ist nicht eine komplette Bevölkerung in Sippenhaft zu nehmen. Wenn es ein Verhalten zu unterbinden gilt, muss der Gesetzgeber und die Exekutive bei den Verhaltensstörern, nämlich bei unnötigen privaten Treffen, ansetzen. Der Inzidenzwert ist als alleiniges Kriterium für derartige, schwerwiegende Grundrechtseingriffe ungeeignet, da er die tatsächliche Pandemie-Lage nur unzureichend abbildet. Auch und die fehlende Unterscheidung zwischen geimpften und ungeimpften Bürgern ist vor dem Hintergrund des unterschiedlichen Gefahrenpotentials nicht tragfähig. 

 

Wenn man nun aber sagt, all dem zum Trotz, dass dieses verfolgte Ziel nicht anders erreicht werden kann als über Ausgangssperren, muss dem entgegengehalten werden, dass eine Ausgangsperre faktisch gar nicht umgesetzt werden kann. Der Staat hat objektiv gar nicht die Möglichkeit, eine solche Ausgangssperre umzusetzen. Es dürfte dem Einzelnen sehr schwerfallen, nachts auf Polizei oder Ordnungskräfte zu treffen, aufgrund der geringen Anzahl zur Verfügung stehender Einsatzkräfte. Diese werden zudem von ihren eigentlichen Aufgaben durch solche zusätzlichen Pflichten, wie die Durchsetzung einer Ausgangsbeschränkung, abgehalten und dienen nicht länger unserem Schutz. Die "unerwünschte" Zusammenkunft wird daher aufgrund des niedrigen Kontrollniveaus nicht effektiv verhindert. Wer die Absicht hat die Ausgangssperre zu umgehen, der wird dies ungestraft tun können.

 

Mithin fesselt diese Maßnahme nur den Bürger, der ohnehin nicht zu einer "illegalen" Zusammenkunft gegangen wäre. Aber welchen Sinn hat dann noch eine solche Maßnahme?

 

Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages, die Ministerpräsidenten im Bundesrat und viele Rechtswissenschaftler haben bereits schwerwiegende Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der geplanten Grundrechtseingriffe geäußert, sind im Ergebnis allerdings nicht durchgedrungen.

 

Wir alle haben während der Pandemie gemeinsam viele Mauern um uns errichtet, mit dem Ziel uns und andere vor dem Virus zu schützen – die Ausgangsbeschränkung sperrt uns nun jedoch vollständig ein und nimmt so dem Einzelnen die Freiheit. Wollen wir das?

 

Für freie Demokraten ist Liberalität nicht nur eine leere Worthülse, sie ist Leitgedanke und Verpflichtung. Dieser Grundwert unserer Bürgerrechtspartei bedeutet im Zweifel für die Freiheit des Einzelnen zu entscheiden, auch und gerade, wenn es unbequem und streitbar ist. 

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